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Studie: Einstellungen junger Männer zu Geschlechtergerechtigkeit und Gewalt

Eine qualitative Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums befasst sich mit den Einstellungen junger Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren zu Gleichstellung und Gleichstellungspolitik. Autor der Studie ist Prof. Dr. Carsten Wippermann, DELTA-Institut für Sozial- und Ökologieforschung. Die Studienergebnisse sollen zu einem vertieften und differenzierten Verstehen der Gruppe der jungen Männer beitragen. So können vorhandene Unterstützungsbedarfe erkannt und zielgruppengerechte Angebote entwickelt werden.   

Die Studie "Junge Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren" zeigt, dass die Alterskohorte äußerst heterogen und gegensätzlich hinsichtlich der Einstellungen zu Geschlechtergerechtigkeit und Alltagsgewalt ist. Das Spektrum reicht von postmodernen Identitäten und Haltungen bis hin zu maskulistisch-faschistoiden.

Viele der Befragten leiden unter der als bedrohlich wahrgenommenen Spaltung der Gesellschaft. Sie spüren deren Folgen in ihrer Lebenswelt. Daraus erwachsen Ambivalenzen, die sich in gegensätzlichen Gefühlen niederschlagen und als belastend empfunden werden. Daraus erwachsende Ressentiments können einen subjektiv sicheren Boden für Ordnung und Orientierung bieten und rechtsnationale, chauvinistische, maskulistische und antifeministische Einstellungen fördern.

Die Gesamtheit junger Männer ist äußerst heterogen. Die Untersuchung identifiziert mehrere Sozialcharaktere, die sich vor allem in ihrem Lebensgefühl und weiteren Lebensperspektiven sowie ihren Einstellungen zu Partnerschaft, Geschlechtergerechtigkeit und Gewalt unterscheiden. Die Studie unterscheidet die Sozialcharaktere "Empathie & Engagement & Entfaltung", "Leiden an Ambivalenzen", "Widerstandsclub für alte Stärke", "Maskulistisch-faschistoide Performer", "Toleranz, Diversität & optimistische Selbstentwicklung". Es gibt kaum Verbindungen zwischen den Gruppen, aber ähnliche Problemlagen und Leiden.

Die Einstellungen zu Gewalt, Geschlechtervielfalt, Gerechtigkeit bei einem Teil der jungen Männer sieht die Studie als überaus problematisch. Um sie über politische Programme und Männerarbeit zu erreichen, mss das Gespräch mit ihnen gesucht werden, so die Empfehlung.

Nahezu alle Befragten geben an, persönliche Gewalt abzulehnen. Gewalt jedweder Form (verbal, psychisch, körperlich; persönlich, medial, im Internet) wird als inakzeptabel beschrieben. Eine Ausnahme sei Gewalt in Situationen der Notwehr und Nothilfe. Doch diese werden von einigen Männern sehr weit ausgelegt. Was alles unter Notwehr und Nothilfe fällt, werde häufig vordefiniert durch populistische Gefühlspropaganda.

Als einen Aspekt eines umfassenden Systems männlicher Dominanz sieht die Studie Einstellungen von Männern zu sexistischer, verbaler, körperlicher, psychischer Übergriffigkeit und Gewalthandlungen gegenüber Frauen (sowie anderen Männern). "Richtige Männlichkeit" werde im Regime hegemonialer Männlichkeit mit Dominanz, Durchsetzungsfähigkeit, Stärke, Überlegenheit und Härte verbunden und müsse immer wieder demonstriert werden.

Einerseits wird massive körperliche Gewalt gegen Frauen (insbesondere Vergewaltigung) von diesen Männern rigoros verurteilt. Andererseits werden andere, "sanfte" Formen sexueller, verbaler, körperlicher Übergriffe gegenüber Frauen verharmlost und als missverstanden abgewehrt.

Die Studie schlägt unter anderem vor, solchen populistischen Gefühlsstrukturen mit professioneller "junge Männerarbeit" zu begegnen. In Social Media und anderen analogen und digitalen Räumen könnten Dialog und persönlicher Kontakt gefördert werden, um die Wahrnehmung alternativer Sichtweisen und Bewertungen zu ermöglichen. Die Einrichtung einer Fachstelle wird empfohlen.

Prof. Dr. Carsten Wippermann:
Junge Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren. Lebensgefühl - Sozialcharaktere - Unterstützung.
Hrsg: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Januar 2025

Download der Studie: www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/junge-maenner-im-alter-von-18-bis-29-jahren

 

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